„Könnt ihr mich hören?“ Ein kritischer Blick auf Videokonferenz-tools

Dass die Corona-Pandemie die Gleichstellung der Geschlechter nicht wirklich voran bringt, ist mittlerweile leider ziemlich klar (siehe dazu auch unseren Buchtipp vom März). Und dass wir viele Stunden, Tage und Wochen vor dem Bildschirm in Video-Konferenzen verbracht haben (und wahrscheinlich noch verbringen werden) auch. Wie es sich mit der Geschlechtergerechtigkeit in Online-Meetings verhält, wurde allerdings bisher nur wenig diskutiert. Hat sich z.B. der Redeanteil von Frauen und Männern in Online-Meetings mehr angeglichen? Der Ton verändert? Oder ist die Gesprächskultur inklusiver als in analogen Meetings geworden?

Leider ist dies Bilanz in Sachen Geschlechtergerechtigkeit eher ernüchternd: Männer nehmen auch online mehr Raum ein und sprechen länger und öfter als Frauen (eine gute Zusammenfassung findet ihr hier). Hinzu kommt, dass Frauen wegen der Stimmverarbeitung bei Videokonferenzen sogar benachteiligt werden. Grund hierfür ist laut einer aktuellen Studie, dass durch verbreitete Tools wie Zoom, Skype oder Teams nicht alle Anteile der Stimme übermittelt werden, sodass Frauen als weniger charismatisch und kompetent wahrgenommen werden.

Und auch die sogenannte Zoom-Fatigue oder der Zoom-Burnout trifft laut neusten Erkenntnissen Frauen stärker als Männer. Ein Grund hierfür ist, dass in Online-Meetings nicht nur andere Gesichter in unmittelbarer Nähe zu sehen sind, sondern auch das eigene Bild (stellt euch mal vor ihr seht euch in “analogen” Gesprächen mit anderen Personen ständig im Spiegel). Die Konfrontation mit dem eigenen Spiegelbild kann zur sogenannten “Spiegel-Angst” führen – ein psychologischer Stress, der von der Selbsbespiegelung ausgelöst wird. Davon sind Frauen stärker als Männer betroffen, denn sie neigen vermehrt dazu, sich im Spiegel zu betrachten und zu beurteilen, wie sie gerade aussehen und welchen Eindruck sie hinterlassen.

Klar ist, dass Online-Meetings uns viel ermöglicht haben und auch viel Positives mit sich bringen (z.B. auch die Fortführung unserer Frauen*Salons). Allerdings trifft es auch hier (wie bei meisten digitalen Technologien) zu, dass wir einen gesunden Umgang mit ihnen noch lernen müssen und dass gesellschaftliche Ungleichheiten im digitalen Raum bestehen bleiben. Hier braucht es in Online-Meetings vor allem eine gute Moderation aber auch eine inklusivere Entwicklung der Technologie, eine differenzierte Datenerhebung (siehe Buchtipp vom September) sowie ein Verständnis dafür, dass es ok ist, die Kamera einfach mal auszuschalten.